Mein lieber Scholli, der Film macht nun wirklich keine Gefangenen und geht gleich zu Beginn richtig in die Vollen. Das vom Tier auf den Menschen übergegangene Wut-Virus grassiert, der Titel legt es nahe, inzwischen fast drei Jahrzehnte in Großbritannien, und Überlebende haben sich, einzeln oder in Gruppen zusammengeschlossen, bestmöglich mit der neuen Realität und stets lauernden Gefahr arrangiert. So auch Jamie, der mit Frau Isla und Sohn Spike einer Dorfgemeinschaft angehört, die sich auf eine schutzgebende Gezeiteninsel zurückgezogen hat. Für eine Art Initiations-Brauch und die erste Begegnung mit den Untoten begeben sich Vater und Sohn aufs Festland. Wo derweil aus Wäldern ganze Dschungel geworden und Wildtierbestände ungestört gewachsen sind, haben auch die Infizierten ihre ganz eigene Art der Entwicklung hinter sich.
Der Dritte und gleichzeitig der erste von Dreien
Der dritte Teil der Reihe hat formal zwei Vorgänger und mit Danny Boyle und Alex Garland das gleiche Gespann für Regie und Drehbuch wie 28 Days Later aus 2002, benötigt aber kein Vorwissen oder Rewatch. Wie nicht unüblich in der aktuellen Zeit soll es sich bei 28 Years Later um die erste Folge einer neuen Trilogie handeln. Die direkte Fortsetzung ist bereits in der Mache und soll bereits in einem halben Jahr das Licht der Welt erblicken, und vor dem Hintergrund des Erfolges an der Kinokasse sollte auch die Finanzierung des finalen Teils kein Problem mehr darstellen.
Das ganze Zombie-Genre wurde durch 28 Days Later maßgeblich beeinflusst: Erstmals waren die bisher behäbig wankenden Menschenjäger agil, ja fast smart und die gesellschaftlichen Aspekte einer solchen Apokalypse wurden deutlich in den Vordergrund gerückt. Und auch jetzt kommen Boyle und Garland wieder mit einigen interessanten Ideen und Entwicklungen um die Ecke, mit denen das gewohnte Repertoire der Zombie-Kunde erweitert und verfeinert wird. Keine Revolution, aber durchaus eine Zombie-Evolution also.
Bereits der Trailer – meiner Meinung nach der beste seit vielen Jahren überhaupt –, untermalt mit dem bedrängenden und verstörenden Marschgedicht aus 1903, ist medial abgehoben wie nichts Gutes und führt die Erwartungen genau dorthin, wo sie hingehören: Die erste knappe Stunde des Films stand ich, trotz Popcorn und Schutz der Leinwand, richtiggehend unter Stress, so meint es zumindest meine Smartwatch.
Die Endzeit-Geschichte ist dabei überraschend tiefgründig und lässt trotz des psychischen Dauerterrors noch Raum für philosophische Gedanken zu Leben und Tod. Und das, ohne den Schwung herauszunehmen oder aufgesetzt zu wirken.
Lobend zu erwähnen sind die großartigen Schauspielerleistungen. Allen voran liefert der während der Dreharbeiten erst 13-jährige Alfie Williams super ab, aber auch Jodie Comer – kennt man aus The Last Duell – und Aaron Taylor-Johnson als Vater und Mutter überzeugen ebenso wie Ralph Fiennes als exzentrischer Mediziner.
Gefilmt wurde laut Wired übrigens weitestgehend mit zahlreichen iPhones – mit Riesenobjektiven. Interessant, bei den Ergebnissen jedoch nicht auffällig.
Vor dem Dreh der letzten fünf Minuten, hier werden die Teletubbies vom Beginn wieder aufgegriffen, hat die Crew anscheinend nochmal ein paar Tarantino-Streifen geschaut – anders kann ich mir das nicht erklären.
Mein persönliches Highlight des bisherigen Filmjahres. Sollte unbedingt im Kino erlebt werden.